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Harmonie

in Chinesische Kultur - 中国文化 29.08.2010 13:02
von Admin • Little China Man | 64 Beiträge

Ein prägendes Merkmal der chinesischen Vorstellungswelt war von jeher die Idee, dass sich der Kosmos in einem harmonischen Gleichgewicht befinde, das es zu erhalten und bei Bedrohungen wiederherzustellen gilt. Klassischen Ausdruck gefunden hat sie etwa im Yin-Yang-Denken oder auch in der Analogie der Fünf-Elemente-Lehre, wonach auch bestimmte Farben, Jahreszeiten, Stimmungen, Stoffe, Planeten, Körperteile einander entsprechen und aufeinander abzustimmen seien. Später hat insbesondere der Daoismus die harmonischen Beziehungen zwischen Himmel, Erde und Mensch umfassend thematisiert. Eine besondere Rolle bei der Wahrung der Harmonie kam dabei stets dem Kaiser als „Himmelssohn“ zu, in dessen Pekinger Palast nicht wenige Gebäude sogar die „Harmonie“ im Namen tragen.

Analog dazu wird aber auch Harmonie in den menschlichen Beziehungen angestrebt. Konflikte werden daher grundsätzlich als Störung empfunden und man versucht sie nach Kräften zu vermeiden.

Die kompromisslose Durchsetzung eigener Interessen gilt in China, selbst und gerade wenn sie unter Berufung auf verbindliches „Recht“ erfolgt, als unmoralisch und wird entsprechend sanktioniert. Vielmehr wird in aller Regel in langwierigen Prozessen versucht, eine alle Beteiligten zufriedenstellende Kompromisslösung zu suchen. Selbstverständlich verbietet sich vor dem Hintergrund auch ein schroffes „Nein“, was freilich häufig dazu führt, dass ein „Ja“ nicht immer als verbindlich betrachtet werden darf. Als Harmoniestörungen werden aber auch Kritik am Gegenüber, allzu heftige Äußerungen von Emotionen wie Wut, Ärger, Trauer oder Freude sowie das Preisgeben zu vieler Informationen über die eigene Person (mit Ausnahme finanzieller Dinge) wie auch das Belasten anderer Menschen mit eigenen Problemen, Sorgen oder Intimitäten betrachtet.

Geschätzt werden leises und zurückhaltendes Auftreten, ruhiges bis sanftes Sprechen, würdige Gesten sowie Gelassenheit gegenüber Ärgernissen. Letztere kommt insbesondere in der häufig gebrauchten Redewendung Méi yǒu guānxi (沒有關係; „Das hat keine Bedeutung“) zum Ausdruck. In manchen Zusammenhängen, wie etwa Gastbesuchen, wird auch überschwängliches Lob erwartet.
Soweit heute im Gegensatz hierzu lautes, rücksichtsloses Verhalten von Chinesen zu beobachten ist, hat das insbesondere eine Ursache: Die Harmoniepflicht gilt uneingeschränkt nur im Bereich der eigenen Danwei-Gemeinschaft, nicht aber in der weiteren Öffentlichkeit. Vom Drängeln an der Bushaltestelle kann daher keineswegs auf das Verhalten derselben Person in der Familie oder im Betrieb geschlossen werden.

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