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Sinozentrismus (Kurz gefasst)

in Chinesische Kultur - 中国文化 29.08.2010 13:11
von Admin • Little China Man | 64 Beiträge

Spätestens seit der Reichseinigung durch den ersten Kaiser Shi Huangdi im 3. Jahrhundert v.Chr. hat sich China als Zentrum der Welt und den - als "Barbaren" betrachteten - anderen Völkern überlegen gefühlt. Exemplarisch kommt dies bereits in der Selbstbezeichnung Zhōngguó (中國) zum Ausdruck, was im Deutschen als "Reich der Mitte" übersetzt wird. Ursprünge dieses Denkens sind kosmologische Vorstellungen, wonach die Welt eine geometrische aufgebaute Scheibe sei, in deren Zentrum China, der Kaiserpalast und schließlich der Kaiser selbst steht, der als Himmelssohn ein besonderes Mandat innehat.

Dementsprechend wurden im Laufe der Jahrhunderte immer mehr Nachbarvölker unterjocht und auf ihre Kosten das eigene Staatsgebiet vergrößert, bis es schließlich unter Kaiser Qianlong im 18. Jahrhundert eine Ausdehnung von ca. 12 Mio. km² erreichte und sich von Sibirien bis in den Himalaya erstreckte. Andere Länder wie Korea oder Vietnam machte man zu Vasallenstaaten. Mit fremden Herrschern verkehrte der Kaiser niemals auf gleicher Ebene, vielmehr wurden absolute Unterordnung, Tributzahlungen und als äußeres Zeichen des Respekts konsequent der mehrfache Kotau verlangt. Das Ansinnen des englischen Königs Georg III. auf Aufnahme gleichberechtigter diplomatischer Beziehungen musste daher auf Unverständnis und Widerstand stoßen.

Der gesamte chinesische Machtbereich wurde konsequent "sinisiert", also der eigenen Kultur angepasst. Umgekehrt gelang den Chinesen zwei Mal sogar die Sinisierung der Kulturen fremder Eroberervölker, nämlich der Mongolen in der Yuan- und der Mandschuren in der Qing-Dynastie. Selbst soweit es ausnahmsweise einmal zum Import fremder Lehren kam, wurden diese teilweise so konsequent sinisiert, dass sie am Ende mit ihrem Vorbild wenig gemein hatten. Beispiele hierfür sind der Buddhismus sowie in neuerer Zeit der Kommunismus.
Traditionell war man in China davon überzeugt, dass alles Nützliche und Wünschenswerte im eigenen Land entdeckt bzw. erfunden worden sei und man fremde Waren und Ideen daher nicht nötig habe. Dementsprechend schroff wies Kaiser Qianlong auch 1793 die Warenangebote der Abgesandten der Macartney-Mission zurück. Soweit man dennoch Kultur- und Technik-Importe zuließ, etwa während der kulturell offenen Tang-Dynastie oder später von den europäischen Missionaren, behalf man sich häufig mit Klitterungen der Wissenschaftsgeschichte: Rasch fand sich ein Gelehrter, der nachwies, dass etwa Astrolabien und Seismografen bereits vorher von Chinesen erfunden worden, dann aber in Vergessenheit geraten waren.

Einen erheblichen Einbruch erlebte das sinozentrische Prinzip, als China nach dem 1. Opiumkrieg gedemütigt in einen Status halbkolonialer Abhängigkeit fiel. In jüngster Zeit erlebt es wieder eine gewisse Renaissance, ist China doch im Begriff, sich nicht zuletzt infolge beeindruckenden Wirtschaftswachstums wieder an die Spitze der Nationen zu schieben.

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